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07.07.15

Warum Fondsanbieter unerfahrene Sparer lieben

Weltweit verwaltet die Fondsindustrie 74 Billionen Dollar – nie war es mehr. Teure Fonds werden vor allem an Kleinsparer verkauft. Mit Profis verdient die Branche dagegen weniger.

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Von Korrespondent für Wirtschafts-
und Finanzthemen in Frankfurt

Christian Sewing will in den rund 700 Filialen der Deutschen Bank in Zukunft vor allem mehr Fonds verkaufen. "Bereits in den vergangenen zwölf Monaten sahen wir einen enormen Anstieg bei den Investmentprodukten", sagte der 45-Jährige vergangene Woche auf einer Branchenkonferenz.

Sewing ist der neue Vorstand für das Privatkundengeschäft des größten deutschen Bankhauses. Von höheren Verkaufszahlen würde nicht nur sein Bereich profitieren, sondern auch die hauseigene Fondsfabrik der Deutschen Bank.

Wie wichtig Kleinsparer für die Fondsindustrie sind, zeigt eine nun vorgestellte Studie der Boston Consulting Group (BCG). Demnach verdient die Branche an jedem weiteren Privatkunden, der ein paar Tausend Euro in Fonds investiert, mehr Geld, der Gewinn für die Anbieter steigt.

Bei großen Pensionskassen und Versicherungen, die Millionen verwalten lassen, ist das nicht sicher. Die Profis achten stark auf die Kosten und entscheiden sich mehr denn je für Produkte mit niedrigeren Gebühren.

Der Unterschied ist in Deutschland besonders groß. Ein Fondsanbieter verdient hierzulande an Privatkunden durschnittlich Gebühren in Höhe von 0,62 Prozent.

Mehr Gewinn mit Privatkunden

Institutionelle Investoren sind dagegen lediglich bereit, 0,15 Prozent zu zahlen – also gerade einmal ein Viertel. In Gesamteuropa ist der Unterschied nicht ganz so eklatant. Hier stehen den 0,15 Prozent der Profis im Durchschnitt 0,51 Prozent der Masse gegenüber.

"Anbieter, die sich auf Privatkunden konzentrieren, haben ein höheres Wachstum bei den Mitteln und dem Gewinn verzeichnet", heißt es in der BCG-Studie. Insgesamt verwaltete die Branche Ende des vergangenen Jahres 74 Billionen Dollar und damit fünf Billionen Dollar mehr als ein Jahr zuvor, der Gewinn der Fondsindustrie lag bei 102 Milliarden Dollar.

Der entscheidende Punkt ist: Der Wert des Vermögens in Publikumsfonds hat sich um zwölf Prozent erhöht, der Gewinn für die Anbieter um elf Prozent. Fonds für institutionelle Anleger erhöhten ihr Volumen um acht Prozent, der Gewinn aus dieser Quelle schrumpfte allerdings um ein Prozent.

Hier zeigt sich nicht nur die größere Verhandlungsmacht der Profis. Es wirkt sich auch das andere Anlageverhalten aus.

ETFs werden nicht offensiv angeboten

Statt bei den teuren aktiv gemanagten Fonds greifen Versicherungen und Pensionskassen längst sehr viel stärker bei den günstigeren passiven Fondsvarianten zu, sprich bei jenen Produkten, die einen Index oder Markt eins zu eins abbilden und damit zwar nie besser als der Durchschnitt sein können, aber auch kaum schlechter. Gemeinhin laufen diese Fonds unter dem Kürzel ETF für Exchange Traded Funds.

Das unterschiedliche Anlageverhalten überrascht nicht. ETFs werden von Filialbanken und anderen Finanzvertrieben nicht offensiv angeboten, da sie nur mit dem Verkauf aktiv gemanagter Fonds hohe Provisionen kassieren können.

Zusätzlich nutzen die Vertriebe aus, dass kaum ein Sparer von sich aus nach den günstigeren und nicht selten auch besseren Produkten fragt. Ausnahmen sind jene Kleinanleger, die ohnehin ihr Depot bei einer Direktbank haben und damit selbst über Kauf und Verkauf der Investmentfonds entscheiden.

Eine tiefgreifende Veränderung der Branche geht dadurch bislang an den meisten Privatanlegern vorbei: Vor zehn Jahren wurden noch 59 Prozent des Fondsvermögens klassisch aktiv verwaltet. Im Vorjahr lag der Anteil der Kernprodukte lediglich noch bei 39 Prozent.

Auf der anderen Seite haben neben alternativen Angeboten wie Hedgefonds, Private-Equity-Fonds und Währungsprodukten vor allem ETFs deutlich zugelegt. Ihr Stück am Gesamtkuchen vergrößerte sich von acht Prozent auf 14 Prozent. Und er wird weiter steigen, sind die Studienautoren überzeugt. "Wir gehen davon aus, dass die Verschiebungen von den aktiven Kernprodukten hin zu alternativen und passiven Angeboten weitergeht", heißt es in der Studie.

Für ETF-Anbieter kommt es auf die Größe an

Demnach wird ETFs zugetraut, in den kommenden drei Jahren einen Anteil von 35 Prozent an den weltweiten Neumittelzuflüssen zu haben. Den großen aktiv gesteuerten Aktien-, Anleihen- und Geldmarktfonds – die sich in vielen Privatanlegerdepots befinden – werden dagegen Abflüsse prophezeit. In den Vereinigten Staaten, dem ältesten ETF-Markt, fließt heute schon jeder zweite Dollar, also 50 Prozent der Mittel in Indexprodukte, in Europa erst zwölf Prozent, im asiatisch-pazifischen Raum 20 Prozent.

Die BCG-Experten zeigen sich überzeugt, dass diese Verschiebungen in den nächsten Jahren zu einer weiteren Konzentration bei den Anbietern führen. Da die Margen der Anbieter beim Geschäft mit ETFs geringer sind, spielt Größe hier eine wichtigere Rolle.

In den Vereinigten Staaten landen laut Studie bereits 68 Prozent der frisch angelegten Mittel bei den zehn größten Fondsgesellschaften, ein Jahr zuvor waren es erst 53 Prozent. Angeführt wird die Liste von den Indexfonds-Spezialisten Vanguard, Blackrock und Dimensional Fund Advisors.

In Europa ist dieses "Winner-Take-All"-Phänomen noch nicht so stark ausgeprägt. Hier blieb der Anteil der Top-Ten-Anbieter an die Nettomittelzuflüssen unverändert bei 31 Prozent. Die meisten neuen Mittel gingen hier an Blackrock mit seiner ETF-Marke iShares gefolgt von der UBS und Nordea.

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